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Von: Pitt von Bebenburg
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Zehntausende Männer aus Russland und der Ukraine verweigern den Kriegsdienst – aber nicht alle bekommen hier Schutz.
An der Front könnten sie sich gegenüberstehen und müssten vielleicht sogar aufeinander schießen. Doch der Russe Maxim Nekulcha und der Ukrainer Andrii Konovalov wollen nicht kämpfen. Sie haben in Deutschland ein neues Leben begonnen.
Nekulcha und Konovalov kennen sich nicht, aber beide haben Kontakt zu der Kriegsdienstverweigerer-Organisation Connection e.V. Denn beide haben sich dem Dienst im Ukraine-Krieg entzogen, wenngleich sich ihr Weg erheblich unterscheidet.
Andrii Konovalov, 24 Jahre alt, der aus Kropywnyzkyj im Zentrum der Ukraine stammt, kam bereits vor dem Krieg nach Deutschland, um in Köln zu studieren. Der Pazifist betrachtet sich trotzdem als Kriegsdienstverweigerer: „Jeder Ukrainer, der hier in Deutschland lebt und hier ein Aufenthaltsrecht hat, ist ganz klar ein Kriegsdienstverweigerer, der nicht in diesen Krieg ziehen will“, sagt er auf Deutsch.
Mehr als 100.000 ukrainische Kriegsdienstverweigerer in Deutschland
Denn anderenfalls würden die Menschen zurückgehen in die Ukraine, um an der Front zu kämpfen. Nach Schätzung von Connection e.V. sind es mehr als 100.000 ukrainische Kriegsdienstverweigerer, die in Deutschland leben, und mehr als 200.000 weitere in anderen europäischen Ländern.
Der Russe Maxim Nekulcha, 30 Jahre alt, aus Sankt Petersburg, floh hingegen, als die russischen Behörden versuchten, ihn zum Kriegsdienst einzuziehen. Drei Mal hat Nekulcha Einberufungsbefehle erhalten. Drei Mal hat er sich geweigert, ihnen Folge zu leisten. Doch die Bedrohung, dass er zwangsrekrutiert werden könnte, stand im Raum. Deshalb hat der Mann mit dem Ohrstecker und dem gepflegten Bart im November 2022 das Land verlassen, das damals bereits seit neun Monaten Krieg gegen die Ukraine führte.
Nekulcha entkommt über Moldawien dem Dienst in Putins Armee
Über Moldawien gelang es ihm auszureisen, mit einem Flug nach Serbien, der einen Zwischenstopp in Deutschland einlegte. Noch im Flugzeug stellte Nekulcha seinen Asylantrag. Mittlerweile ist er in der Bundesrepublik als politisch Verfolgter anerkannt.
Nicht nur, weil er den Kriegsdienst verweigert hat. Sondern auch, weil er vorher bereits Repressionen ausgesetzt gewesen war. Mit der Organisation „Deystviye“ (Aktion) hatte er ein Community-Center für die schwule, lesbische und queere Gemeinschaft betrieben. „Es gab Drohungen, weil ich in der Organisation war“, erzählt er.
Nicht viele Männer schaffen es raus aus Russland
Es sind nicht viele Männer aus Russland, die erfolgreich um Schutz nachsuchen konnten – vielen gelang es gar nicht erst, nach Deutschland zu gelangen. Nach Angaben von Pro Asyl und Connection gab es in der Bundesrepublik in den ersten acht Monaten 2023 nur elf Anerkennungen und 33 Ablehnungen – im Gros der Fälle wurden die Russen auf Asylverfahren in anderen Ländern verwiesen, über die sie eingereist waren.
Nekulcha lebt jetzt in einer Wohngemeinschaft in Gießen. Er darf in Deutschland bleiben, und das Land kann ihn gut gebrauchen: Der Russe ist IT-Spezialist und hat zehn Jahre lang in der Branche gearbeitet. Zunächst aber lernt er die Sprache. Sein Deutsch ist schon recht gut, aber beim Gespräch mit dem Journalisten hat er lieber einen Freund dabei, der übersetzt.
Selenskyj appelliert an Ukrainer in Deutschland
Der Ukrainer Konovalov spricht fast perfekt Deutsch. Er studiert Biochemie im siebten Semester. Für manche Leute sei die Verteidigung der „Grenzen von 1991“, also nach dem Zerfall der Sowjetunion, eine Notwendigkeit, sagt der blonde junge Mann. Für ihn nicht. „Ich werde dafür nicht an die Frontlinie kommen und keiner meiner Freunde würde das tun.“
Ende Januar appellierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an die Ukrainer in Deutschland. Er wünsche sich, dass sie zurückkehrten. Doch werde er keinen Druck auf Deutschland ausüben. Die Organisation Connection berichtet von sorgenvollen Reaktionen. Viele Ukrainer fragten an, wie sie einer Rekrutierung und Strafverfolgung entgehen könnten, berichtet Geschäftsführer Rudi Friedrich – und betont, dass es „keine rechtliche Handhabe“ für Auslieferungen gebe.
Rekrutierung durch Zwang würde russische Propaganda bestätigen
Das würde auch nicht funktionieren, ist Konovalov überzeugt. Er würde in einem solchen Fall von Deutschland weiterziehen in ein anderes europäisches oder englischsprachiges Land. „Falls jemand versuchen sollte, diese Leute zu rekrutieren, wäre die russische Propaganda bestätigt“, sagt er. „Das wäre bedrohlich für alle Politiker, die das versuchen.“
Maxim Nekulcha kann sich nicht vorstellen, jemals wieder nach Russland zurückzuziehen. Obwohl sein Vater, seine Mutter und seine Schwester nach wie vor dort leben. „Nach allem, was Russland gemacht hat, ist das Land für mich geschändet“, sagt der 30-Jährige. „Der Krieg ist für mich der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“
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